Andacht für Mittwoch, 26.1.2011

Guten Morgen!

Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

 „Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets.“ Das steht als Losung für heute bei Sacharja im 12. Kapitel, Vers 20.

Lassen Sie uns den Herren preisen mit Lied 447 „Lobet den Herren“. Nr. 447, Verse 1 bis 4.

Jerusalem ist faszinierend. Sobald man in die Altstadt eintaucht, ist man im Orient angekommen: Basare, viele Menschen, rege Geschäftigkeit, auf den ersten Blick Chaos, aber doch irgendwie geordnet.

Angekommen ist man nicht nur im Orient, sondern – wie es scheint – in einer längst vergangenen Zeit. Alte Häuser, enge Gassen, aber es ist kein Museum, sondern das tägliche Leben für viele Menschen, denen man begegnet.

 Schnell fällt einem auf, dass neben den Menschen, die dort leben, Unmengen von Touristen unterwegs sind. Englisch, Deutsch, Italienisch, Japanisch – man hört alle möglichen Sprachen. Alle zieht es dort hin. Die Via Dolorosa wirkt wie ein Magnet.

Freitags wird es dann noch interessanter: Ultra-Orthodoxe Juden kommen am Shabbat familienweise zu Fuß aus ihren Stadtvierteln, wie Measharim, in die Altstadt. Ein Meer aus Hüten, schwarzen Mänteln und weißen Hemden. Und alle zieht es zum Tempelberg. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass einzelne Gruppen durch identische Kleidung zusammengehörig erscheinen, die sich in bewussten Details wieder von der Kleidung anderer Gruppen unterscheidet. Man ist versucht, eine Studie über die verschiedenen Kopfbedeckungen, Mäntel, Hosen und die Bedeutung ihrer vielfältigen Kombinationen anzustellen.

Die Träger dieser kreativ aus schwarz und weiß koordinierten Uniformen eint, dass sie ihr Leben streng nach den 613 Gesetzen der Torah, den Mitzvot führen. Wie genau die Torah auszulegen ist, darin unterscheiden sie sich. Zu welcher Tradition und Interpretation sie sich zugehörig fühlen bringen sie in ihren unterschiedlichen Trachten zum Ausdruck.

 22. Mai 33. Die Stadt ist voll von Pilgern. Am 50. Tag nach Pessach wird das Schawuot-Fest gefeiert. Erinnert wird an den Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai und die 50 Tage Gebet, die sie für die zweite Auflage leisten mussten. Ein Fest, das sich nirgends besser feiern lässt, als in der Stadt mit dem Tempel, in dem die Bundeslade verwahrt wird. Zugleich ist es Erntezeit und so ein gelungener Anlass, im Dankfest Musik, Tanz und Torahstudium zu verbinden und so die Nacht durchzumachen.

 Zu diesem Fest kommen Gläubige von überall her. Man stelle sich die Touristen und Ultra-Orthodoxen von heute in Personalunion vor. Juden unterschiedlichster Herkunft, Sprache, Hautfarbe und religiöser Orientierung kommen zusammen, um den Bund mit Gott zu feiern.

22. Mai 33. 9 Uhr morgens nach einer langen Nacht des Feierns und Studierens zieht ein kleines Grüppchen die Aufmerksamkeit auf sich. Ihrem Aussehen nach kommen sie alle aus Galiläa, aber sie sprechen, nein, sie predigen in allen möglichen Sprachen. Übernächtigte und verkaterte Pilger sind erstaunt, hören sie doch von Gott in ihrer eigenen Sprache, aber von diesen Leuten, die unmöglich ihrer Sprache mächtig sein können. Was liegt näher, als zu vermuten, dass sie vielleicht mehr getrunken haben, als gut für sie war?

 Klärung bringt dann ein zwölfter, der zu der Gruppe hinzutritt. Petrus erklärt, dass das Reden in Zungen nicht am Wein läge, sondern vielmehr an der Erfüllung einer Prophezeiung.

Petrus und die Jünger müssen recht überzeugend gewesen sein. Der Lehrtext für heute berichtet: „Als die in Jerusalem versammelten Menschen dies hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie fragten Petrus und die übrigen Apostel: Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 3,27)

 Petrus Antwort ist ebenso klar wie erfolgreich: Tut Buße und lasst Euch taufen auf den Namen Jesu Christi. 3000 Menschen folgen der Aufforderung an diesem einen Tag. Das ist beeindruckend: 3000 Menschen an einem Tag in einer Stadt, die wir nach heutigen Maßstäben als Kleinstadt bezeichnen würden.

 Ich frage mich und uns: hätte ich dazu gehört? Zum Fest war die Stadt voll von Gläubigen, sicherlich auch vielen mit hohem Sendungsbewusstsein. Juden, die glaubten, dass die Ankunft des Messias bevorstand, gab es auch viele. Vermeintliche Messias wahrscheinlich auch. Warum sollte dann gerade dieser kürzlich von den Römern hingerichtete Unruhestifter aus Nazareth der richtige sein?

 Zugegeben, das Brausen im Himmel und die unerwarteten Sprachtalente seiner Jünger müssen schon beeindruckend gewesen sein. Die saubere prophetische Herleitung durch Petrus kann für dieses schriftenkundige Publikum auch nur hilfreich gewesen sein.

Aber reicht das? Jeder, der die Schriften gut kennt, den Talmud studiert hat und eloquent wie Petrus ist, wird ein ungewöhnliches Wetterphänomen geschickt instrumentalisieren können. Dazu eine gute Performance, die das Publikum in den Bann zieht und fertig ist ...

 So etwas wäre mir wahrscheinlich durch den Kopf gegangen. Zumindest denke ich so etwas jedes Mal, wenn ich im Fernsehen einen charismatischen – meistens amerikanischen – Prediger sehe, der Besucher des Gottesdienstes zum Reden in Zungen bringt. Dann frage ich mich: Heiliger Geist oder Bauernfängerei?

 Wäre es mir damals in Jerusalem im Jahr 33 anders gegangen? Hätte ich Petrus und Freunde ernst genommen und mich taufen lassen? Oder hätte ich in Anbetracht dieser neuen Masche mit den Augen gerollt und mich in der etablierten Gruppe meiner Glaubensbrüder weiterhin gut aufgehoben gefühlt?

Wie erfahren wir den Heiligen Geist heute? Wie haben ihn die Jerusalem-Pilger damals Anno 33 erfahren? Lag da vielleicht doch noch etwas in der Luft, das mehr war als das, was das Verhalten der Jünger und die Worte des Petrus erzeugen konnten?

 Klar war allen, dass es um viel geht, wie schon Sacharja in seiner Losung für heute prophezeite: „Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 Lassen Sie uns Lied 136 „O komm, du Geist der Wahrheit“ singen. Nr. 136. Die Verse 1, 2, 6 und 7 bitte.

Lasst uns beten:

 Herr, unser Gott, Heiliger Geist, du Geist der Liebe. Lass uns erkennen, wo du in unserem Leben handelst und dafür dankbar werden. Hilf uns - auch gegen allen Augenschein - glauben, dass du bei uns bist. Schenke uns die Begeisterung, die für andere deine Güte sichtbar werden lässt.

 Gemeinsam beten wir:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.