Andacht für Dienstag, 27.10.2009
Brich dem Hungrigen dein Brot!
Liebe Akademiegemeinde, so lautet die Losung für heute, die sich bei Jesaja im 58. Kapitel findet.
Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Die heutige Losung ist vertont in Lied 420. Lassen Sie uns alle Strophen singen. Nr. 420
Im Lehrtext für heute heißt es bei Lukas im 12. Kapitel, Vers 48
Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.
Ist das gerecht?
Keine Frage, wer viel hat, kann auch viel geben, aber warum soll der, dem sowieso schon viel aufgebürdet ist, auch noch auf mehr Forderungen eingehen? Verlangt Lukas hier nicht eine völlig ungerechte Lastenverteilung?
Aber was ist eigenlicht gerecht? Wir empfinden etwas als gerecht, wenn von uns nicht mehr – oder eher weniger – als von anderen gefordert wird. In dem Moment, in dem wir mehr als andere in ähnlicher Position leisten sollen, fühlen wir uns ungerecht behandelt. Das hieße, dass Gerechtigkeit etwas Relatives ist, das sich aus dem Vergleich mit anderen ergibt.Und da haben wir ein Problem: in dieser Sicht kann es Gerechtigkeit nur bei absoluter Gleichverteilung geben. In dem Moment, wo einer mehr als der andere bekommt, muss es aus der Perspektive des anderen ungerecht zugehen.
Wo können wir denn überhaupt absolute Gleichverteilung erzielen? Erst einmal muss genug für alle da sein, dass Gut muss also kleinteilig genug sein, damit jeder eine Einheit abbekommen kann und wir müssen die Verteilung so organisieren, dass auch wirklich jeder seinen gleichen Anteil bekommt.Das gleiche gilt für Lasten: auch die müssen teilbar sein, damit sie auf alle Schultern gleichmäßig verteilt werden können.
In dem Moment, wenn das Gut oder die Last nicht so aufgeteilt und verteilt werden kann, bricht dieses simple Gerechtigkeitsverständnis zusammen.
Hier kommt Lukas ins Spiel, der sagt, dass Gerechtigkeit weniger eine Frage der Gleichmäßigkeit als vielmehr der Leistungsfähigkeit ist.Gerecht ist, wenn der viel trägt, der das kann.
Gerecht ist, wenn der viel gibt, der viel hat.
Wie kommt Lukas darauf? Wie kann er es sich anmaßen uns eine solche zutiefst ungerechte Handlungsanweisung zu geben?
Unser heutiger Vers ist der Abschluss des Gleichnisses vom Verwalter, in dem es um Treue und Pflichterfüllung geht. Lukas gibt uns in den vorangehenden Versen zu verstehen, dass es darauf ankommt, übertragende Aufgaben erwartungsgemäß auszuführen, auch wenn man dabei nicht beaufsichtigt wird. Ein klassisches Problem bei der Delegation von Aufgaben und übrigens ein Feld, das von Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern intensiv behandelt wird.Lukas geht es um verantwortliches Handeln; Handeln, das der Sache und der Gemeinschaft dient, auch wenn man sich aus der Verantwortung stehlen könnte oder wenn man seine eigene Machtposition missbrauchen könnte.
Viel wichtiger als die Aufgabenverteilung ist die Wahrnehmung der erteilten Aufgaben. Als Anerkennung für gute Leistung gibt es dann noch ähnliche weitere Aufgaben. Und das ist nicht ungerecht, sondern gut für die Gemeinschaft: ein jeder wird dort gefordert, wo er für die Gemeinschaft das meiste leisten kann. Gerechtigkeit ist, wenn ein jeder sein volles Potenzial für die Gesellschaft einsetzt.
Bei kleinen Aufgaben können wir das einer Trial and Error Methode überlassen: mal schauen, wer was kann, und wer eine Aufgabe verbockt, wird in Zukunft etwas anderes machen.
Aber wie geht das mit richtig großen Aufgaben? Wie können wir die Schöpfung bewahren? Eine Aufgabe, die uns allen übertragen ist – auch denen, die damit vielleicht ein wenig überfordert sind oder die Konsequenzen ihres Handelns nicht erkennen.Trial and Error ist hier keine Lösung. Lukas stellt dazu in Vers 46 die Konsequenzen im Verwaltergleichnis vor:
Der Herr „wird ihn in Stücke hauen lassen und wird ihm sein Teil geben bei den Ungläubigen.“
Das ist hart und direkt. Aber das macht es auch wieder gerecht. Wer sich seiner Verantwortung entzieht, kommt nicht ungestraft davon. Denn Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn sich alle aufeinander verlassen können.Amen
Lassen Sie uns Lied 432 singen. Nr. 432, alle Strophen bitte.
Lassen Sie uns gemeinsam beten mit den Worten, die der Herr selbst uns gelehrt hat:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.