Andacht für Freitag, 18.12.2009
Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen
Der HERR, unser Gott, hat uns behütet auf dem ganzen Wege, den wir gezogen sind.
Das steht als Losung für heute bei Josua im 24. Kapitel.
Lassen Sie uns das Lied 362 „Eine feste Burg“ singen. Nr. 362, Vers 1 und 3.
Was bestimmt unsere Kultur? Oder: was macht uns zu den Menschen, die wir sind?
Laut Wikipedia kann Kultur im weitesten Sinne definiert werden als „alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik, der Bildenden Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht, in der Moral, der Religion, der Wirtschaft und der Wissenschaft.“
Demnach sind Religionen als geistige Gebilde – Gottesbilder – also Aspekte unserer Kultur. Die Texte für heute – Losung und Lehrtext – stellen zwei recht unterschiedliche Gottesbilder vor, die für die Religionen, die sich auf sie beziehen, fundamental und kulturell bestimmend sind.
In der alt-testamentarischen Losung heißt es bei Josua im 17. Vers des 24. Kapitels, wie wir eben schon gehört haben: „Der HERR, unser Gott, hat uns behütet auf dem ganzen Wege, den wir gezogen sind.“ Das klingt doch sehr freundlich und umsorgend, gesprochen von einem sorgenden Anführer kurz vor seinem Tod im biblischen Alter von 110 Jahren.
Liest man jedoch auch den Kontext des gesamten 24. Kapitels – ein 25. gibt es todesbedingt nicht, sieht das alles etwas anders aus. Der gesamte erste Teil des Kapitels besteht aus einer Schilderung, wie Gott die Stämme Israels im Überlebenskampf gegen andere Völker unterstützt hat. Es ist die Geschichte vieler brutaler Schlachten, die die Israeliten immer wieder dank göttlicher Unterstützung überstanden haben, einschließlich der Teilung des Meeres und der Vernichtung ägyptischer Heere. Josua schließt daraus die Verpflichtung, diesem starken und schützenden Gott weiterhin zu folgen und sich keinesfalls mit irgendeinem anderen Stamm oder Volk einzulassen.
Nach dem Losungstext spricht er weiter: „Er ist ein eifernder Gott, der eure Übertretungen und Sünden nicht vergeben wird. Wenn ihr den HERRN verlasst und fremden Göttern dient, so wird er sich abwenden und euch plagen und euch ausrotten, nachdem er euch Gutes getan hatte.“ Danach lässt Josua die Israeliten Ihren Bund zum Herren beschwören.
Wer von Ihnen hat schon einmal jüdische Feste mitgefeiert? Was ist Ihnen bei diesen Festen aufgefallen? Mir ist dieses aufgefallen: Eine nicht unerheblich Anzahl dieser Feste definiert sich über Anlässe, in denen das Volk Israel durch Gottes Hilfe dem Untergang getrotzt hat. Das hat natürlich eine gewisse Verpflichtung diesem schützenden Gott gegenüber zur Folge. Man könnte vielleicht sogar von einem Abhängigkeitsverhältnis sprechen.
Was bedeutet das für die Kultur der Menschen in der jüdischen Glaubenstradition? Stellen Sie sich vor, dass eine Vielzahl religiöser Feste durch das Überleben ihres Volkes in extrem widrigen Situationen bestimmt ist. - PAUSE - Stellen Sie sich vor, dass der aktuellste Grossangriff auf ihr Volk gerade einmal 70 Jahre her ist. - PAUSE - Wie würden sie diese Welt interpretieren? - PAUSE –
Ganz anders der Lehrtext im Neuen Testament. Johannes spricht von Gottes Liebe. Es geht nicht darum, das Volk einen Treue-Eid auf Gott schwören zu lassen, sondern vielmehr darum, Gott um die Liebe zu diesem Volk zu bitten. Der Lehrtext aus dem Johannesevangelium kommt auch vom Ende Jesu Schaffenszeit kurz vor seine Gefangennahme. Die Parallele zu Josua ist die Bestandsaufnahme Gottes Zuwendung zu seinem Volk. Johannes berichtet ähnlich wie die Passage bei Josua von einem hohepriesterlichen Gebet. Dieses Mal betet Jesus.
Das 17. Kapitel beginnt mit den Worten: „So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche, denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.“ Gegen Mitte des Kapitels finden wir dann den Lehrtext für heute in Vers 12: "/Jesus betete:/ Solange ich bei ihnen war, erhielt ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, und ich habe sie bewahrt, und keiner von ihnen ist verloren." Das Kapitel schließt in Vers 25-26 mit den Worten: „Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Da ist nirgends die Sprache von irgendwelchen Schlachten oder feindlichen Stämmen, nur von Aufopferung und Liebe.
Was ist die bessere Perspektive auf unseren Gott? - PAUSE – Was bedeutet das für unsere Sicht der Welt und der Verhältnisse in ihr? Gehen wir grundsätzlich positiv an das Weltgeschehen heran oder sind wir eher skeptisch, weil unsere Vernichtung hinter der nächsten Ecke lauern kann?
Hier vorn sehen sie zwei symbolträchtige Gegenstände: Das allen bekannte Kreuz, das für die Aufopferung Jesu und die Liebe Gottes steht. Auf dem Altar sehen Sie außerdem einen Stein. Einen Backstein - PAUSE – aus Auschwitz. Ein Relikt der Schoah. Ein Symbol der letzten großen Schlacht, die das Volk Israel überstehen musste. - PAUSE – Wessen Gottesbild ist das bessere? Wessen Kultur die relevantere? Die, die das Unheil erwartet und in langer Tradition lernen musste, damit umzugehen? Oder die, die dieses Unheil hat geschehen lassen?
Ich kann Ihnen die Antwort nicht geben. Ich weiß aber, dass ich in einer Tradition aufgewachsen bin, die auf Gottes Liebe baut und auf diese vertraut. Ich bin davon durch und durch geprägt. Und Sie alle wahrscheinlich auch. Selbst wenn uns das allen nicht immer so klar ist. Der Unterschied zwischen diesen beiden Kulturen sind gerade einmal 304 von 1210 Seiten in der Lutherbibel. 300 Seiten Text und deren kulturelle Interpretation machen einen solch dramatischen kulturellen Unterschied aus.
Stellen Sie sich vor, was das für die Unterschiede im Weltbild für Religionen ganz anderer Herkunft ausmacht. Stellen Sie sich vor, sie würden den Lehren Konfuzius oder Buddhas folgen. Ich kann diesen Unterschied gar nicht einschätzen – dazu kenne ich keine dieser Religionen gut genug.
Aber selbst wenn wir weder um unsere eigene Religion oder die Religion der anderen scheren würden, so gäbe es trotzdem darauf basierende kulturelle Unterschiede. Und diese Unterschiede führen zu unterschiedlichen Handlungsweisen – selbst dann, wenn wir meinen, frei von religiösen Einflüssen zu handeln. Ich lade Sie dazu ein, darüber nachzudenken, wenn wir über andere Kulturen und deren Handlungen sprechen.
Das heißt jedoch nicht, dass wir unser Vertrauen auf Gottes Liebe verlassen wollen. Ganz im Gegenteil, das ist der wesentliche Unterschied zwischen dem alten und neuen Testament. Gottes Liebe und die Nächstenliebe, die sie ermöglicht, machen die gerechte Gesellschaft christlicher Prägung erst möglich. Wir müssen uns aber immer fragen lassen, wo und unter welchen Bedingungen solche Gesellschaften existieren können. Amen
Lassen Sie uns Lied 1 „Macht hoch die Tür“ singen. Nr. 1 bitte, die Verse 1, 2 und 5.
Lassen Sie uns gemeinsam beten mit den Worten, die der Herr selbst uns gelehrt hat: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.