Andacht für Donnerstag, 30.9.2010

Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

„Führe mich aus dem Kerker, dass ich preise deinen Namen.“ Das steht als Losung für heute in Psalm 142.

Lassen Sie uns den Herren preisen mit Lied 447 „Lobet den Herren“. Nr. 447, Verse 1 bis 4.

Unser Lehrtext für heute steht im Brief an die Galater. Dort schreibt Paulus im 13. Vers des 5. Kapitel: Ihr seid zur Freiheit berufen. Durch die Liebe diene einer dem andern.

Das klingt doch schön. Zur Freiheit sind wir berufen. Durch Liebe sollen wir einander dienen. Friede, Freude, Eierkuchen.

 Paulus geht es hier nicht um einen simplen Zuspruch, sondern um etwas sehr Grundsätzliches: der Orientierung für unser Handeln. Genau genommen: unsere Motivation.

Die Galater sind eine gottesfürchtige Gemeinde. Schon fast zu gottesfürchtig. Sie haben sich als frühchristliche Gemeinde wieder auf die Einhaltung jüdischer Gesetze besonnen und achten diese alten Regeln, um ihr Leben gottgefällig zu gestalten.

 Dagegen wettert Paulus. Man mag denken: was für ein Problem hat dieser Mann? Endlich einmal eine bekehrte Gemeinde Heiden, die es mit der Gottesfurcht richtig ernst nimmt. Nicht nur Weihnachten, Ostern, zur Taufe, zur Hochzeit und zur Bestattung in die Kirche, sondern ganz und gar an der Tora – also den 5 Büchern Mose – in ihrer Lebensführung orientiert. Inklusive Beschneidung – das ist doch ein Wort! Und das will Ihnen der Apostel madig machen?

 Orientierung haben sie – die geben die Bücher Mose ja von der Finanzgesetzgebung, über die Gesellschaftsgestaltung bis hin zu Ernährungsrichtlinien vor.

 Was Paulus fehlt ist die Motivation! Ihm geht es nicht um das Wie, sondern um das Warum.

Ihr seid zur Freiheit berufen. Ihr braucht nicht vorm Gesetz zu kuschen. Aber das ist kein Freibrief.

Durch die Liebe diene einer dem andern. Das ist ein klarer Handlungsauftrag. Ein ambitionierter Auftrag!

 Anstatt der alten Gesetze soll also die Liebe untereinander unser Gemeinwesen strukturieren. Nicht die Befolgung klarer gesetzlicher Regeln, sondern das gegenseitige Dienen soll unser gutes Zusammenleben ermöglichen.

Geht das? Zugegeben, die Befolgung der Gesetze strukturiert das Leben recht klar. Milch und Fleisch sind nicht zu mischen, Schulden sind regelmäßig zu erlassen und Besitz an Grund und Boden fällt regelmäßig an die Gesellschaft zurück. Das erfordert Zugeständnisse an die Gemeinschaft – aus heutiger Sicht schmerzhafte Zugeständnisse, wenn wir an die Finanz- und Besitzregeln der Tora denken. Ab es befreit auch: solange ich die Gesetze befolge, diene ich der Gemeinschaft und brauche mir über mein weiteres Verhalten keine großen Gedanken zu machen.

 Diesen Teppich der Verlässlichkeit zieht Paulus unter unseren Füßen weg. Wir dürfen zwar Schweinefilet mit Rahmsoße essen, unsere Schulden auch nach sieben Jahren noch eintreiben und auch unsere Häuser vererben, aber das wird durch eine viel höhere Verpflichtung ersetzt: wir sind in unserem Handeln nur so lange frei, wie es der Gemeinschaft nutzt.

 Luther sagte das so: Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

 Darf ich das Rinder-Steak wirklich essen? Kann ich die damit verbundenen CO2 Emissionen verantworten?

Darf ich mein Geld in lukrativen Aktien anlegen? Kann ich die damit verbundenen Arbeitsplatzreduktionen verantworten?

 Darf ich mich über den herrlichen Blick von meiner Terrasse freuen? Kann ich die damit verbundenen hohen Wohnungskosten vor Ort verantworten?

Paulus sagt ganz klar, dass für den Egoismus, für den die sture Gesetzesbefolgung Raum gab, kein Platz mehr ist. Das Motto ist ein ganz klares und steht im auf den Lehrtext folgenden Vers: Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem „Liebe deinen nächsten wie dich selbst!“

 Die Liebe und – das wird im Rest des Briefes klar – der Glaube sollen reichen, um unser Gemeinwesen zu organisieren. Es kommt nicht darauf an, was uns vorgeschrieben wird, sondern darauf wie wir uns verhalten. Dabei ist es in der Ausführung fast egal, ob wir uns auf Moses stützen – von dem kommt ursprünglich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – oder auf Kant stützen: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“

 In jedem Fall kommt es darauf an, dass wir uns mit den Konsequenzen unseres Handelns auseinandersetzen.

Es reicht nicht, dass wir regelkonform, aber gemeinschaftsschädigend handeln.

Es reicht nicht, dass wir es „nicht besser wussten“, uns aber bewusst keine weiteren Gedanken gemacht hatten.

Es reicht nicht, dass es „schon nicht so schlimm sein wird“, obwohl wir wussten, dass es alles andere als gut war.

 Der Vorteil der christlichen Version liegt daran, dass wir uns nicht auch noch darüber Gedanken machen müssen, ob wir es mit venunftbegabten Wesen zu tun habe. Der Glaube an die Erlösung durch den Tod Christi erlaubt es uns einander in Nächstenliebe zu begegnen, ohne vorher eine Selbstzweckevaluation anstellen zu müssen. Amen.

 Lassen Sie uns Lied 604 „Wo ein Mensch Vertrauen gibt“ singen. Nr. 604 bitte.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.