Andacht für Freitag, 11.2.2011

Guten Morgen!

Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

„Sollte Gott etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?“ Das steht als Losung für heute bei im 4. Buch Mose. Kapitel 23, Vers 19.

Lassen Sie uns den Herren preisen mit Lied 447 „Lobet den Herren“. Nr. 447, Verse 1 bis 4.

Zweifel. „Das Wort Zweifel (gotisch Zweifls und althochdeutsch zwival) stammt von der Kompositionsform twi, "zwei", und dem Suffix falt, das etymologisch mit dem heutigen Wort Falte gleichzusetzen ist. Dies führt zur Wortbedeutung „zwiespältig“.“

Das sagt Wikipedia zur Etymologie des Begriffs. Wiki definiert außerdem: „Zweifel ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. Er wird auch als Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behauptungen bzw. Vermutungen interpretiert.“

 Unentschiedenheit und Unsicherheit stechen hier heraus. Zweifel muss also irgendwie das Gegenteil von Entschiedenheit und Sicherheit sein. So eine Negativdefinition ist auch nicht wirklich befriedigend. Also ein weiterer Versuch ...

Wiki spricht von „Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behauptungen.“ Hier kommen wir vielleicht weiter: Zweifel steht in einem Spannungsverhältnis mit Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glaube oder Behauptungen – und das sind alles absolute Kategorien. Zweifel ficht also etwas Absolutes an und relativiert es.

Versuchen wir es mit „Vertrauen.“ Wir setzen Vertrauen in Personen, ihre Entscheidungen, ihre Sichtweisen, ihre Fähigkeiten. In jedem Fall verzichten wir auf die eigene Beurteilung einer Situation oder Handlung und lassen uns auf die Beurteilung der vertrauten Person ein.

Petrus macht das ganz selbstverständlich. Es ist ein fast ganz normaler Tag mit Jesus. Am Abend zuvor haben sie mit gerade mal 5 Broten und 2 Fischen 5000 Menschen bei der Trauerfeier für Johannes den Täufer versorgt. Im Laufe des Tages setzen die Jünger schon einmal ohne den Chef die Segel und kommen auf dem See Genezareth in Seenot. Der sieht das von einem Berg aus, auf dem er beten wollte, und kommt selbstverständlich zur Hilfe geeilt – quer über das Wasser. Ein wenig überrascht sind die Jünger schon, als er einfach über das Wasser läuft, aber das hält Petrus nicht davon ab, ihm entgegenzulaufen. In vollstem Vertrauen auf Jesus geht das auch gut bis – bis ihn der starke Wind überrascht und er ZWEIFELT. Sofort fängt er an zu sinken, doch Jesus greift ihn noch rechtzeitig und hat nur einen kurzen Kommentar für ihn übrig: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“

Vertrauen ist also gut und Kontrolle ist in diesem Fall überhaupt nicht besser. Ist das die Botschaft, die wir aus unserem Lehrtext mitnehmen sollten? In Bezug auf Gottvertrauen mag das angehen, aber ist blindes Vertrauen in anderen Kontexten auch eine gute Idee?

Die Losung für heute spricht auch von Gottvertrauen: „Sollte Gott etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?“

Die Antwort auf diese rhetorischen Fragen soll natürlich ein entschiedenes „Nein!“ sein. Aber im Satz direkt vor der Losung wird das ganze relativiert: „Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenskind, dass ihn etwas gereue.“

Die Ansage ist klar: Gott können wir vertrauen, weil er nicht Mensch ist, weil er nicht lügt. Gott können wir vertrauen, weil er zuverlässig ist. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass wir Menschen kein uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringen können, weil sie unzuverlässig sind.

Zweifel sind also angebracht.

Bedeutet das dann, dass wir immer und überall zweifeln müssen, also immer misstrauisch sein sollten? Ist Kontrolle doch besser als Vertrauen?

Das entspräche Hobbes Naturzustand, wo das Leben „solitary, poor, nasty, brutish, and short“ ist. Das kann nicht die Alternative sein. Irgendwie muss die Gesellschaft so organisiert sein, dass Vertrauen auch unter Menschen möglich ist. Bei Hobbes kommt diese organisierende Rolle dem Gesellschaftsvertrag und dem Leviathan, der Regierung zu. Indem wir einen Gesellschaftsvertrag eingehen, können wir davon ausgehen, dass die anderen Träger dieses Vertrags auch an dessen Regeln gebunden sind. Wir können also einander vertrauen, dass wir die Spielregeln des Vertrags einhalten. Das Zusammenleben in der Gemeinschaft ist so auf Augenhöhe geregelt.

Darüber hinaus treten wir Rechte an den Leviathan als Souverän ab, der uns dafür beschützt. Wir untergeben uns unter eine staatliche Autorität, die für uns innere und äußere Sicherheit gewährleistet. Wir müssen auf den Staat als Garant von Sicherheit vertrauen, da dieser nur aufgrund unseres Vertrauens funktionieren kann.

Können wir also innerhalb unserer Gesellschaft und unserem Staat blind vertrauen? Können Hobbes Gesellschaftsvertrag und Leviathan die menschliche Unzuverlässigkeit überwinden, von der wir bei Mose hören?

 Neben der philosophischen Antwort gibt es auch noch eine religiöse. Religionen strukturieren Gesellschaft entlang gemeinsamer Werte und Normen. Im Geltungsbereich der 10 Gebote ist davon auszugehen, dass man grundsätzlich wenig geneigt ist zu töten, zu stehlen, Ehe zu brechen und so weiter. Neben Ansprüchen auf letztgültige Wahrheiten organisieren Religionen das Miteinander der Gemeinschaften, die sich an ihnen orientieren.

Für uns Christen sind da das Doppelgebot der Liebe und damit die Nächstenliebe ganz zentral. Damit können wir davon ausgehen, dass sich jeder Christ an die christlichen Prinzipien des Miteinanders hält und der Gesellschaftsvertrag quasi automatisch durch die Nächstenliebe zustande kommt.

Vertrauen unter Menschen funktioniert also dort, wo gemeinsame Bezugssysteme eine gemeinsame Vertrauensbasis bilden.  Das funktioniert für uns dort am zuverlässigsten, wo unsere beiden großen Bezugssysteme – die christliche Religion und der westliche Nationalstaat – zusammen kommen. Hier ist für uns klar, worauf wir Vertrauen gründen können.

Wir wollen vertrauen können, dafür brauchen wir gemeinsame Bezugssysteme. Aber wie gehen wir mit Situationen um, wenn wir auf Menschen stoßen, die andere Bezugssysteme haben? Sollen wir zweifeln? Oder besser einen Vertrauensvorschuss leisten, der die Grundlage für ein Miteinander bieten kann? Müssen wir das nicht sogar, da die Nächstenliebe unbeschränkt gilt?

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lassen Sie uns Lied 607 „Vertrauen wagen dürfen wir getrost“ singen. Nr. 607.

Lasst uns beten: Vater unser ...

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.