Andacht für Dienstag, 13.4.2010

Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

„Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren.“

Das steht als Losung für heute in Psalm 86, Vers 9.

Lassen Sie uns das Lied 116 „Er ist erstanden“ singen. Nr. 116.

Lehrtext: 1.Korinther 9,16

/Paulus schreibt:/ Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!

„Meine Lehrerin besteht darauf, dass ich Texte Wort für Wort übersetze. Als ich das letzte Mal einen Brief sinngemäß übersetzt habe, habe ich darauf eine 5 bekommen.“

Dieser Satz war Bestandteil eines Gespräches zweier junger Leute, die am letzten Sonntag neben mir im Zug saßen. Vorher hatten sie sich über eine gemeinsame Reise unterhalten. Der mir gegenübersitzende und etwas älter wirkende Gesprächspartner erwiderte darauf, dass die wörtliche Übersetzung für Geschäftsbriefe schon richtig sei, schließlich ginge es dabei um wichtige – oftmals juristische – Begriffe, die man nicht einfach sinngemäß übersetzen könne.

Darauf meinte die junge Frau, dass sie in der Höheren Handelsschule auf ihre Übersetzungen immer Zweien oder Dreien bekomme habe und nicht verstehen würde, warum die gleiche Übersetzungstechnik jetzt nur noch für eine 5 gut sei. Darauf der Ältere wieder: „Geschäftsbriefe muss man halt wörtlich übersetzen, da darf man nicht einfach nur nach dem Sinn übersetzen.

An diesem Punkt konnte ich mich nicht mehr halten und ich musste mich in dieses Gespräch einmischen. Ich sagte etwas zu Sinnzusammenhängen, die in der Übersetzung vernünftig wider gegeben sein müssten, dass eine solche Leistung sicherlich nicht durch wortwörtliche Übersetzungsarbeit zu leisten sei und dass das alles Sprachgefühl in beiden Sprachen voraussetzen würde, damit man beurteilen könne, ob die Sinnzusammenhänge in Original und Übersetzung übereinstimmen würden.

Die Inhalte unseres Gesprächs sind hier egal, worum es geht ist meine Einmischung. Ich konnte mir die schlechten Ratschläge des vermeintlich kundigeren Gesprächspartners nicht mehr anhören. Ich musste einfach ein paar klärende Worte zum Umgang mit Sprache sagen. Dabei bin auch ich alles andere als ein Sprachexperte. Zu Französisch oder Spanisch habe ich nie einen Zugang gefunden; ich war froh, dass ich Latein immer nur in eine Richtung übersetzen musste und mein Englisch ist nur durch längere Auslandsaufenthalte passabel geworden.

Aber ich bin durch und durch ein Forscher und Lehrer. Ich begeistere mich für die Erkundung neuer Zusammenhänge und möchte zur Erlangung tieferer Erkenntnis beitragen, wo immer ich das kann. Das hat nichts mit meiner derzeitigen Tätigkeit zu tun und ist auch nicht an irgendwelche Arbeitszeiten gebunden. Bezahlt werde ich dafür, dass ich Tagungen organisiere und durchführe. Selbst diese Andacht ist Kür, aber nicht Teil meines Pflichtprogramms.

Warum machen wir das? Warum tun wir uns das an? Das Leben könnte mit einem entspannten Industriejob so viel einfacher sein. Montags bis Freitags 35 Stunden. Der Schreibtisch wird 15 Minuten vor Feierabend aufgeräumt, damit man pünktlich rauskommt und dann ist Freizeit. Die Arbeit rückt in weite Ferne, bis die Stempeluhr am nächsten Morgen wieder den Gang durchs Werkstor quittiert.

Das nennen wir einen „Beruf“ oder neudeutsch auch „job.“ Im Englischen gibt es aber auch die Bezeichnung „vocation“. Hier kommen wir von der wortwörtlichen Übersetzung zur Relevanz der Sinnzusammenhänge. „Vocation“ impliziert ein „calling“ – einen Ruf zur Tätigkeit. Das ist mehr als nur ein „job“ – es geht um eine echte Berufung, nicht nur um eine Tätigkeit. Dieser Berufung ist man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert!

Damit sind wir bei Paulus, der ausruft: „Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!“

Alles nur Last und Verpflichtung? Sind die Fabrikarbeiter nicht doch besser dran? Echte Berufung beinhaltet Belohnung und Bestätigung und ganz besonders Sinn und Zweck. Wir folgen einer Überzeugung, dass unser Handeln einen Sinn und eine wichtige Funktion hat. Wir können uns darüber freuen, dass wir etwas bewegen.

Paulus sagt: „Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.“ Eine solche Äußerung können wir kaum von einem Arbeiter am Fließband erwarten. Was an seiner Aufgabe ist sinnstiftend? Der Unterschied zwischen job und vocation ist also nicht nur der Verantwortungsumfang, sondern auch die Motivation dazu und die Gratifikation, die das eigene Engagement zur Folge hat.

Gut 1850 Jahre, nachdem Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Korinth geschrieben hat, hielt Max Weber Ende Januar 1919 eine Vorlesung in München. Unter dem Titel „Politik als Beruf“ liefert er einige grundsätzliche Überlegungen zur Definition des Staates und legitimer Herrschaft, die auch heute noch Bestand haben.

Viel wichtiger für unser Thema heute ist seine Diskussion von Berufspolitikern. Er unterscheidet zwischen Menschen, die von Politik leben, und solchen, die für Politik leben. Verwalter, die von Politik leben, sind selten gute politische Führer, da sie persönlich von der Ausführung ihres Amtes abhängig sind. Gute Politiker müssen also primär für Politik leben. Deren Bezahlung darf dann allenfalls ihre Berufung absichern, aber nicht die Motivation zum Politikerdasein bilden.

Diese Einsicht können wir auf andere Bereiche mit gesellschaftlicher Verantwortung übertragen: wichtig ist die Motivation in der Sache – die Begeisterung für die Verantwortung. Diese Begeisterung, dieser Eifer ist es, der uns als Gesellschaft weiter bringt. Ganz gleich, ob es um den Apostel Paulus, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Barack Obama oder Sie in Ihrer Schule geht.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie im Angesicht Ihrer Berufung über mittelmäßige Bezahlung, hohe Anforderungen und mittelprächtiges Prestige hinwegsehen können. Darum geht es nicht. Wichtig ist, dass wir unserer Berufung folgen, und dafür einstehen, egal wie widrig die Umstände sein mögen. Machen Sie Ihren Job immer wieder zum Beruf. Das macht Freude und wirkt auf andere

Herr, lass dein Licht in uns leuchten und dein Wort uns so berühren, dass auch wir es weitergeben. Amen

Lassen Sie uns Lied 419 „Hilf Herr meines Lebens“ singen. Nr. 419 bitte.

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.