Andacht für Dienstag, 10.05.2011

Guten Morgen!

Wir feiern diese Andacht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.  Amen

"HERR, du bist doch unser Vater! Wir sind Ton, du bist unser Töpfer, und wir alle sind deiner Hände Werk." Das steht als Losung für heute bei Jesaja im 64. Kapitel, Vers 7.

Lassen Sie uns singen. Lied 100 „Wir wollen alle fröhlich sein.“ Lied 100.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Lassen Sie uns das gemeinsam sprechen: Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Das kennen wir natürlich bestens. Die Herrnhuter haben diesen Satz aus dem Vaterunser der vorhin gehörten Losung als Lehrtext gegenübergestellt. Zu finden ist der bei Matthäus im 6. Kapitel, Vers 10.

Lassen Sie uns den Satz noch einmal gemeinsam wiederholen: Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

So, damit dürfte das nun der Satz sein, den Sie am häufigsten in einer Kirche oder Kapelle gesprochen haben. Egal wie kurz oder ungewöhnlich ein Gottesdienst oder eine Andacht sein mag, das Vaterunser ist eigentlich immer dabei. Damit ist es noch weit vor dem Glaubensbekenntnis das am häufigsten gesprochene Stück der Liturgie. Mit unserer morgendlichen Sprechübung hat dieser einer Satz nun noch einen kleinen Vorsprung vor dem Rest des Gebets.

Was geht Ihnen dabei durch den Kopf? Wir sprechen noch einmal: Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Alles Routine oder was? Normalerweise denken wir uns wohl nicht so sehr viel dabei. Doch diese nervigen Wiederholungen haben bei Ihnen bestimmt etwas ausgelöst. Ohnmacht? Skepsis? Unverständnis? Vertrauen? Zuversicht? Sicherheit? Abhängigkeit? Unfreiheit? Ausgeliefert sein? Schwäche? Stärke?

Nehmen wir die Losung mit dazu: "HERR, du bist doch unser Vater! Wir sind Ton, du bist unser Töpfer, und wir alle sind deiner Hände Werk."

Können wir als aufgeklärte Menschen das 2000 Jahre später immer noch so akzeptieren? Sind wir nichts anderes als der Ton in den Händen des allmächtigen Töpfers dessen Wille alles bestimmt? Wo bleibt da die Selbstbestimmung, die Errungenschaften der Aufklärung?

In der Karwoche titelte die ZEIT mit „Was Christen noch glauben.“ Der Untertitel setzte nach: „Das Evangelium ist für die Ewigkeit, der moderne Mensch aber lebt jetzt.“ Hängen wir also einem archaischen Kult an? Haben wir nur den endgültigen Schritt in die Moderne noch nicht gewagt? Auf der Titelseite der ZEIT folgt dann ein Artikel, der ein bestechendes Argument dafür liefert, auch in der Moderne am Glauben an eine höhere Gewalt festzuhalten.

Die moderne analytische Wissenschaft als größte Errungenschaft der Aufklärung macht es uns möglich, die Welt um uns herum zu erklären. Wir verstehen den Aufbau und die Funktion aller möglichen Dinge bis ins allerkleinste Detail. Damit haben wir die Möglichkeit, Dinge zu beherrschen und zu schaffen, für deren Erklärung in vormoderner Zeit nur göttliche Allmacht herangezogen werden konnte. So gibt es immer weniger Wunder und Überraschungen. Alles Mögliche ist planbar.

Und doch. Immer wieder passiert das Unvorhersehbare, das ausgeschlossene. Egal ob es die Reaktorkatastrophe im Land mit der fortschrittlichsten Absicherung gegen Erdbeben ist, oder die demokratischen Revolutionen in der arabischen Welt sind, von der wir nur islamistische Umstürze erwarteten.

Für den modernen Menschen sind das die Fehlbarkeiten, die Unzulänglichkeiten der bisher entwickelten Modelle, das Restrisiko. Mit noch etwas mehr Fortschritt sollten auch diese beherrschbar und planbar werden. Dabei bleibt aber etwas ganz wichtiges auf der Strecke: das Unwahrscheinliche, das Unglaubliche, die Wunder. Nun, das könnte der Preis des Fortschritts sein, aber eben dieser Preis könnte echtem Fortschritt auch in die Quere kommen.

Fortschritt ist nicht immer planbar, wenn Entwicklungspfade in die falsche Richtung weisen. Neue Pfade hingegen müssen erst gelegt werden, ehe ihre Richtung planbar und ersichtlich wird. Dazu gehört Mut und die Hoffnung, die richtigen neuen Pfade zu legen. Aber eben diese Hoffnung braucht Vertrauen darauf, dass es Entwicklungen auch jenseits des unmittelbar Planbaren gibt, auf die man setzen kann. Nur dann macht es Sinn, sich für Fortschritt jenseits von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Konfidenzintervallen einzusetzen.

Das Unwahrscheinliche ist genau die Botschaft dieser Osterzeit: der Herr ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Und damit verbunden ist ganz klar die Hoffnung auf Erlösung, die uns durch dieses Wunder zugesprochen wird. Das gibt Perspektive und Grund, sich auch für das scheinbar Unmögliche einzusetzen.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Das ist also kein Ausruf der Ohnmacht, sondern genau das Gegenteil. Es ist der Zuspruch von Sicherheit; das Vertrauen, die Zuversicht, dass wir auch unter widrigen Umständen diese Welt gestalten können und sollen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Lassen Sie uns Lied 596 „Ich möchte Glauben haben“ singen. Nr. 596.

Lassen Sie uns nun das Vaterunser vollständig und gemeinsam beten: Vater unser im Himmel ... 

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.